Markieren von Texten. Jeder tut es, doch was bringt es?
Ein Blick auf Bücher und Artikel von Studenten genügt, um zu sehen, dass das Markern von Textstellen die beliebteste Lerntechnik von allen ist (Kornell & Bjork, 2007). Manchmal stellt man sich gar die Frage, welche Stellen in einem Text nicht markiert sind. Der beste Freund eines Studenten - so möchte man meinen - ist der Textmarker. Man trifft ihn vorwiegend in gelb, grün, orange und pink. Welchen Effekt haben allerdings diese bunten Farben auf das Lernen? Ist es sinnvoll, Textstellen zu markieren?
Was sagt die Forschung?
Die Befunde zur Effektivität des Markern sind gemischt (Dunlosky et al., 2013; Ponce & Mayer, 2014; Yue, Storm, Kornell, & Bjork, 2015). In einer breiten Zusammenfassung der Forschungsliteratur kommen Dunlosky et al. (2013) zu dem Schluss, dass das Markieren von Texten nicht zu großen Lernerfolgen führt. Das Lesen von Texten ist ihrer Ansicht nach gleich effektiv. Sie schränken allerdings ein, dass Studierende, die gelernt haben, effektiv zu markieren, davon profitieren könnten. Viele Studierende sind jedoch nicht in der Lage, effektiv zu markieren (Leutner, Leopold, & Elzen-Rump, 2007). Sie können wichtige von unwichtigen Textstellen schlecht unterscheiden und richten ihre Aufmerksamkeit auf wenig relevante Inhalte. Trainiert man Studierende jedoch in der Anwendung und der Regulation dieser Lerntechnik, scheint das Markieren von Texten lernförderlicher zu sein als das schlichte Lesen von Texten (Leutner, Leopold, & Elzen-Rump, 2007). Es ist demnach vor allem die Qualität der Nutzung der Lerntechnik, die über ihren Erfolg entscheidet (Leopold & Leutner, 2014). Von welchem Lernerfolg sprechen wir aber? Wenn du etwas Lernen möchtest, solltest du dir zuerst die Frage stellen, was deine Ziele sind. Häufig unterscheidet man hierfür folgende Kategorien (Krathwohl, 2001):
- Erinnern. Kann ich einzelne Fakten aufsagen?
- Verstehen. Bin ich fähig mit dem zu denken, was ich weiß?
- Anwenden: Kann ich eine bestimmte Abfolge ausführen?
- Analyzieren: Bin ich in der Lage, einen komplexen Sachverhalt in seine einzelne Teile aufzugliedern?
- Evaluieren: Kann ich begründete Aussagen über die Qualität einer Sache machen?
- Kreiren: Kann ich Neues schaffen?
Das Markern von Texten ist vor allem für das Erinnern hilfreich (Ponce & Mayer, 2014). Es macht Sinn, wenn du dir bestimmte Begriffe aus einem Text merken möchtest. Sobald du jedoch Verbindungen zu Begriffen herstellen möchtest, ist es nicht mehr sinnvoll, Textstellen zu markieren. Dann eignen sich Graphic Organizer besser, die dir Verbindungen aufzeigen.
Das Markieren von Textstellen ist vor allem hilfreich, wenn du Fakten lernen möchtest.
Wie lenkt das Markieren von Texten meine Aufmerksamkeit?
Eye-Tracking Studien eignen sich besonders gut, Aufmerksamkeit zu messen. Wohin wir unsere Augen richten, entscheidet, worüber wir denken. Aufmerksamkeit und unsere Blicke sind daher ganz eng miteinander verwoben (Knudsen, 2007). Eigentlich sind wir die Hälfte unserer Zeit blind. Wir nennen diese Zeit Sakkaden. Sakkaden finden statt, wenn wir unseren Blick von einem Element zu einem anderen bewegen. Das Gegenstück von Sakkaden sind Fixationen. Fixationen finden statt, wenn wir unseren Blick auf ein Element richten. Nur dann können wir Dinge durch unsere Augen wahrnehmen (Holmqvist et al., 2011). Der Rest sind Konstruktionen unseres Gehirns, welche uns den Eindruck vermitteln, wir sehen ein kohärentes Bild (Pritzel, Brand, & Markowitsch, 2009).
Lernen benötigt Aufmerksamkeit. Markierte Textstellen fördern deine Aufmerksamkeit.
Was hat das nun alles mit dem Markieren von Texten zu tun? Hector Ponce und Richard Mayer (2014) untersuchten mit Hilfe eines Eye-Trackers, ob die Fixationen auf wesentliche Begriffe in einem Text zunehmen, wenn diese Begriffe markiert sind. In der Tat, diejenigen Textstellen, welche markiert wurden, erhielten deutlich mehr Fixationen als wenn sie nicht markiert wurden. Es lässt sich daraus schließen, dass das Markieren von Textstellen unsere Aufmerksamkeit auf diese Textstellen unterstützt. Sprich, wir betrachten jene Stellen im Text öfter, wenn sie markiert sind. Hieraus lässt sich auch erklären, warum das Markieren vor allem für das Erinnern lernförderlich ist. Wir richten lediglich mehr Aufmerksamkeit auf die markierten Stellen.
Was sollte ich tun?
Verzichte nicht auf das Markieren von Texten, wenn du es ohnehin schon tust. Du solltest dir aber bewusst sein, dass der Lerneffekt durch Markieren beschränkt ist. Wenn du dich lediglich mit der Aneignung von Fakten beschäftigst, packe gerne deine Buntstifte und Marker aus. Geht es allerdings an komplexere Sachverhalte, empfehlen wir dir andere Strategien, wie zum Beispiel Graphic Organizer. Überlege dir zudem sehr genau, welche Textstellen du markierst. Je tiefer du darüber nachdenkst, desto besser.
Literatur
- Dunlosky, J., Rawson, K. A., Marsh, E. J., Nathan, M. J., & Willingham, D. T. (2013). Improving students’ learning with effective learning techniques promising directions from cognitive and educational psychology. Psychological Science in the Public Interest, 14(1), 4-58. [*]
- Holmqvist, K., Nyström, M., Andersson, R., Dewhurst, R., Jarodzka, H., & Van de Weijer, J. (2011). Eye tracking: A comprehensive guide to methods and measures. Oxford University Press.
- Knudsen, E. I. (2007). Fundamental components of attention. Annual Review of Neuroscience., 30, 57-78. [*]
- Kornell, N., & Bjork, R. A. (2007). The promise and perils of self-regulated study. Psychonomic Bulletin & Review, 14(2), 219-224. [*]
- Krathwohl, D. R. (2001). A revision of Bloom's taxonomy: An overview. Theory into practice, 41(4), 212-218. [*]
- Leopold, C., & Leutner, D. (2014). Improving students’ science text comprehension through metacognitive self-regulation when applying learning strategies. Metacognition and Learning, 1-34.
- Leutner, D., Leopold, C., & Elzen-Rump, V. (2007). Self-regulated learning with a text-highlighting strategy: A training experiment. Zeitschrift für Psychologie/Journal of Psychology, 215(3), 174.
- Ponce, H. R., & Mayer, R. E. (2014). An eye movement analysis of highlighting and graphic organizer study aids for learning from expository text. Computers in Human Behavior, 41, 21-32.
- Pritzel, M., Brand, M., & Markowitsch, J. (2009). Gehirn und Verhalten: ein Grundkurs der physiologischen Psychologie. Springer-Verlag.
- Yue, C. L., Storm, B. C., Kornell, N., & Bjork, E. L. (2014). Highlighting and Its Relation to Distributed Study and Students’ Metacognitive Beliefs. Educational Psychology Review, 1-10. [*]